OTZ – Christiane Kneisel 12.11.2018, 06:00 | Lesedauer: 5 Minuten

Die Otto Crienitz Obermühle in Wünschendorf ist Beispiel dafür, wie sich das Müllerhandwerk gewandelt hat. Dort werden heutzutage mit modernster Automatisierungstechnik jährlich 50.000 Tonnen Weizen und 10.000 Tonnen Roggen vermahlen – zu Mehl, Schrot, Grieß und Kleie. 21 Mitarbeiter sorgen vorrangig im zwei-Schicht-System für einen reibungslosen Ablauf. Ein Labor und ein Fuhrpark mit zwölf Lkw gehören zum Betrieb. Müller Michael Schulz erklärt der Auszubildenden Anja Günzel wie sich das Mehl anfühlen muss.
Foto: Peter Michaelis

Auch viele kleinste, kleine oder mittlere Firmen leisten Erstaunliches für die Volkswirtschaft. Manchmal sind sogar heimliche Gewinner, sogenannte Hidden Champions, darunter. Die OTZ stellt wöchentlich Betriebe und Dienstleister aus Ostthüringen vor: Heute die Otto Crienitz Obermühle in Wünschendorf

UNTERNEHMEN In OSTTHütuNGEN Die Otto Crienitz KG Obermühle in Wünschendorf setzt auf Qua-lität und Regionalität

Wünschendorf. Getreidesäcke schleppen, das Korn zu den Mahl-steinenbringen und Mehl unter Mühen abtransportieren – das klas-sische Berufsbild des Müllers gehört längst der Vergangenheit an. In Wünschendorf, wo seit mindestens 280 Jahren Getreide vermahlen wird, ist dies nicht anders. Die Otto Crienitz Obermühle am Mühlgraben y, ist Beispiel dafür, wie sich das Müllerhandwerk gewandelt hat. Dort werden heutzutage mit mo-dernster Automatisierungstechnik jährlich 50.000 Tonnen Weizen und 10.000 Tonnen Roggen vermahlen –
zu Mehl, Schrot, Grieß und Kleie. z1 Mitarbeiter sorgen vorrangig im zwei-Schicht-System für einen rei-bungslosen Ablauf. Ein Labor und ein Fuhrpark mit zwölf Lkw gehören zum Betrieb.
Otto Crienitz ließ um 1900 auf eben jenem Gelände sowohl ein Wohn-haus als auch das Betriebsgebäude errichten. Als er 19o2 starb, über-nahmen seine Nachfahren den Be-trieb. „Allerdings wenig ambitio-niert, well keine Kinder da waren”, erzählt Geschäftsführer Timm Scharf. Dessen Vater Peter Scharf vertrat schließlich als Neffe eine Er-bengemeinschaft, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Betrieb mu-tig entwickelte. „Für meinen Vater war dies eine familiäre Aufgabe, die ihn hat hier bleiben lassen und so sind die Namen Crienitz und Scharf eng miteinander verknüpft”, er-zählt der 57-jährige gelernte Bauin-genieur. Peter Scharfs Leidenschaft, Risikobereitschaft und persönli-chem Einsatz sei es zu verdanken, dass das Unternehmen Auch in sozialistischen Zeiten am Laufen gehalten werden konnte —ab den 5oer Jahren mit staatlicher Beteiligung, ab 1972 unter vollkom-mener Verstaatlichung als Vereinig-

te Mühlenwerke Wünschendorf. 4.990 erwarb mein Vater dann den Betrieb von der Treuhand zurück Bis vor drei Jahren hat er sich sehr ambitioniert um das Wohl der Firma gekümmert, kann dies nun leider aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr”, erzählt Timm Scharf
Wurden 1990 täglich 50 Tonnen Ge-treide in der Mühle vermahlen, sind es mittlerweile 16o Tonnen am Standort Wünschendorf. In Weida wird eine zweite Mühle — für Rog-gen — betrieben Die Otto Crienitz Obermühle ist nach der Mühle in Bad Langensalza mittlerweile die zweitgrößte Mühle in Thüringen. „Unser Betrieb ist in der Lage, zirka 700.000 Menschen mit Mehl zu ver-sorgen, theoretisch ein Drittel Thü-ringens« , veranschaulicht Timm Scharf Der Kundenstamm reicht bis nach Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Wünschendorfer beliefern rund 160 Bäckereien mit handwerklichen Wurzeln und zehn industriell arbei-tende Verbraucher. Namhaftester Kunde: Brandt Zwieback

Ein Fuhrpark mit zwölf Lkw gehört zum BetriebKraftfahrer Marcel Seiler verlädt Weizenmehl mz f EM die Stangengrüner Mühlenbäckerei. Fatum Peter Michaelie

Hauptaugenmerk liegt auf den klas-sischen Produkten: Mehle aus Wei-zen und Roggen werden möglichst naturrein und ohne Zusatzstoffe hergestellt. Das Getreide kommt hauptsächlich von regionalen Land-
wirten, zum Beispiel von der Agrar-genossenschaft Kauern, der Ervema Altar Gesellschaft Wöhlsdorf und dem Landhandel Schmölln. Das ist Betriebsphilosophie mit wirtschaft-lichem Hintergrund: „Die Zusam-
menarbeit ist über Jahre gewachsen und funktioniert bestens. Zudem wollen wir die Transportwege so gering wie
Möglich halten. Transport kostet Geld, aber eigentlich noch nicht ge-nug, denn es wird sehr viel quer durchs Land gekarrt”, so Juniorchef Felix Scharf. Und selbst im trocke-nen, heißen Emtejahr zni8 können sich die Wünschendorfer auf ihre regionalen Getreide-Lieferanten verlassen In Liefermenge und -qualität: „Backfähigkeit, Kleber-qualität sind hervorragend und wir benötigten keine ausländischen Zu-käufe”, versichert Felix Scharf. Er weiß, dass insbesondere die Qualität der Weizenvermahlung den Wettbe-werb entscheidet. Der Getreide-Einkaufspreis richtet sich nach den Weltbörsen in den USA und Frank-reich. „So Prozent unserer Kosten liegen im Rohstoff. Wir
Bewegen also sehr viel Geld, haben zugleich aber wenig Einflussmög-lichkeit auf den eigenen Gewinn. Umso wichtiger ist für uns die transparente Kalkulation. Denn der Getreidepreis bestimmt den Mehl-preis”, erklärt Timm Scharf. Eine Menge hat die Firma immer wieder in die Produktion und Arbeitsweise investiert, aber auch in die Sicher-heit der Roggenvermahlung. Stolz verweisen die Unternehmer auf die erfolgreiche Zertifizierung des Be-triebs – die höchstmögliche in der Branche.
Der allgemeine Mehlverbrauch ist indes rückläufig, wissen die Exper-ten: „Die Verzehrgewohnheiten ha-ben sich drastisch gewandelt. Es gibt kaum noch jemanden, der ein klassisches
Roggenbrot, noch dazu mit vier Pfund, kauft. Die jüngere Generati-on favorisiert Scheiben, helles Ge-bäck oder Snacks im Vorüberge-hen»Und selbst das klassische Schulbrot, wissen die Scharfs, ist aus der Mode gekommen. Der Mül-ler-Beruf aber nicht. Komplett au-tomatisiert, wartet er auf Schulab-gänger, die Chemie und Biologie mögen, sich gern Programmier-kenntnisse aneignen, technikbe-geistert sind und tägliche Herausforderungen suchen. „Einen abwechslungsreicheren Beruf kann ich mir nicht vorstellen”, meint Felix Scharf.

Müller Michael Schulz erklärt der Auszubildenden Anja Günzel den Produktionsablauf

Es sind nicht nur die großen Na-men, die die Unternehmerland-schaft in Ostthüringen prägen und ausmachen. Auch viele kleinste, kleine oder mittlere Fir-
men leisten Erstaunliches für die Volkswirtschaft Manchmal sind sogar heimliche Gewinner, soge-nnte Hidden Champions, dar-unter. Die OTZ stellt wöchentlich Betriebe und Dienstleister aus Ostthüringen vor.
Mehle aus Weizen und Roggen

Die Geschäftsführer Timm Scharf und sein Sohn Felix.